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  • 2020resi

... von einer Motte, keine Ahnung von Computern und rückwärtslaufenden Uhren

Aktualisiert: 22. Juli 2021

„Ich hatte keine Ahnung von Computern. Es war schließlich der erste Rechner überhaupt.“


Dieser Satz stammt von Grace Hopper, die damit auf die Frage antwortete, wie sie damals, um 1944 herum, schon so viel Ahnung von Computern hatte. Die Frage beantwortete sie dem bekannten Moderator David Letterman 1986 in einem Fernsehinterview.


Nun aber der Reihe nach. Grace Hopper, geboren 1906 in New York City, begann nach ihrem High School Abschluss das renommierte Vassar College zu besuchen. Das älteste Frauen-College der USA schloss sie mit einem Bachelor of Arts in Mathematik und Physik ab, woraufhin sie mit einem Stipendium in der Tasche an der Universität Yale studierte, 1934 dort ihren Doktortitel in Mathematik erhielt und zur Professorin ernannt wurde.

Nach Ausbruch des zweiten Weltkrieges trat Grace bei der Navy ein. Endlich, sie hatte lange darum gekämpft. Man ließ sie zunächst nicht, da sie zu leicht war. Sie wollte damals aber unbedingt helfen, den Krieg zu beenden. Da man bei der Navy allerdings nicht wusste, was man mit ihr machen sollte, steckte man sie für ein Navy-Computerprojekt an die Universität Harvard in ein Labor, wo sie zum Bau der “Mark I” zugeordnet wurde. Die “Mark I” war die erste programmierbare Großrechenanlage der USA, ein Ungetüm von ca. 5 Tonnen, aus Relais und Kabeln bei einer Länge von 16 Metern, die von IBM gebaut wurde. Die Mark I wurde von der US Navy für Schieß- und ballistische Berechnungen verwendet. Grace' hatte damals die Aufgabe eine Anleitung für diesen Rechner zu schreiben. Damit verfasste sie das erste Computer-Handbuch der Geschichte. Zudem führte sie als eine der ersten Personen überhaupt Berechnungen an dem Großrechner durch, denn damit die Navy auch bei schlechtem Wetter voll kampffähig blieb, brauchte sie rund um die Uhr Feuer- und Flugtabellen, die durch den Computer berechnet werden mussten. Seine berühmteste Berechnung war wohl die Flugbahn und der Zündzeitpunkt der Atombombe, die am 9. August 1945 Nagasaki traf.

Entgegen vieler anderer Meinungen war Grace von den vielfältigen Anwendungsmöglichkeiten von Computern überzeugt, sie sah die Notwendigkeit anwenderfreundlichere Software zu entwickeln, da bis zu dem damaligen Zeitpunkt Programmierer für jede neue Software aufwändige Programme in Maschinensprache umwandeln mussten. Zu diesem Zeitpunkt hatte niemand in diese Richtung Überlegungen angestellt, um die Arbeit der Computer effizienter zu gestalteten, dies sollte sich aber bald ändern. In den darauffolgenden Jahren war sie beteiligt an wegweisenden Projekten wie z.B. „Mark II“, seit dieser Zeit wird sie mit dem Begriff ‚Bug‘ in Verbindung gebracht. Auch wenn das Wort in dem Zusammenhang mit Computer/Software-Fehlern schon vorher genutzt wurde, so ist sie es doch die ihn prägt. ausgerechnet ein Tier, eine Motte, die sich auf einem Relais befand, hatte das Gerät mehr oder minder außer Gefecht gesetzt. Genau zwischen Kontakt und Schalter hatte sich das Tier niedergelassen, so dass der Schaltprozess nicht mehr richtig durchgeführt wurde. Ein Techniker holte das tote Tier heraus und Grace klebt es in ihr Logbuch mit dem Vermerk: „First actual case of bug being found.“ Daher stammt also der Begriff ‘Bug’, den wir auch heute noch für einen Programm-/Softwarefehler nutzen.



Für „UNIVAC I“, dem ersten kommerziellen elektronischen Computer entwickelte sie 1952 den ersten Compiler und setzte dadurch einen weiteren Meilenstein in der Informatik. Ein Compiler, oder auch Übersetzungsprogramm, wandelt Programmierkommandos in Maschinensprache um und wird vor der eigentlichen Programmausführung gestartet. Diese Idee bildete die Grundlage für Generationen von Programmiersprachen, nicht zuletzt auch für die Entwicklung von COBOL verwendet wurde. Grace Hopper war auch die erste, die ein Vokabular für die Datenverarbeitung anlegte, und sie entwickelte mit FLOW-MATIC die erste Programmiersprache, die für Daten und Befehle umgangssprachliche Worte verwandte. Diese Sprache bildete das zentrale Modell für die Definition von COBOL, die bis heute weltweit meistgenutzte wirtschaftsorientierte Programmiersprache.

Mehrmals wollte sie man aus der Navy, zu der sie immer noch als Reservistin gehörte, entlassen, aber man holte sie aufgrund ihres Wissens und ihrer Erfahrungen immer wieder zurück in den aktiven Dienst. 1986 schied sie nach langjähriger Mitarbeit mit 80 Jahren als eine der wichtigsten EDV-Beraterinnen der US-Navy aus dem Militärdienst aus. Sie hielt während ihrer Karriere und bis ins hohe Alter hinein Vorträge, Reden und Seminare an Colleges und in Kasernen und auch beruflich nahm sie junge Leute unter ihre Fittiche. Nach allem, was „Amazing Grace“, wie sie innerhalb der Marine genannt wurde, in der Informatik und auch für die Gleichberechtigung von Frauen erreicht hatte, starb sie 1992 und wurde mit militärischen Ehren in Arlington beerdigt.

Je mehr ich über Grace lese, desto mehr bin ich von dieser Frau und ihrem Leben beeindruckt. Natürlich hat sie Mathematik studiert und damit ein technisches Grundverständnis, aber praktische Erfahrungen hatten damals nur wenige auf dem Gebiet der Computertechnik. Und selbst ihre Vorgesetzten waren erst wenige Monate zuvor mit den Rechnern vertraut gemacht worden - es gab zu dem Zeitpunkt ja nur eine geringe Anzahl Rechner weltweit. Die Arbeit an den Rechnern waren eher Geheimprojekte, an denen das Militär arbeitete.

Grace entwickelte einiges, was bis heute in der Informatik von Belang ist. Und sie beteiligte sich immer wieder an neuen Projekten. “The only phrase I’ve ever disliked is, why, we’ve always done it that way. I always tell young people, go ahead and do it.” Sie meinte, dass konventionelle Lösungen nicht immer die einzigen Lösungen seien, um sich dies immer vor Augen zu halten hing sie sich sogar eine rückwärtslaufende Uhr auf. Sie wollte sich immer wieder auf neues Terrain begeben, sich ausprobieren und Wagnisse eingehen und das hat sie getan.

“Some of my most rewarding experiences have been in trying to do something in a new way." Den Blick zu öffnen für neue Ideen oder für andere Wege, dies kennzeichnete die Einstellung von Grace Hopper und dieser Satz passt noch heute hervorragend - insbesondere in Zeiten einer Pandemie und Klimakatastrophen.



R.

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