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Joan Ball - erstes Online Dating

Aktualisiert: 18. Aug. 2021

In meinem Umfeld gibt es einige Paare, die sich online kennengelernt haben. Kein Wunder, bei ca. 8 Millionen Menschen die Online Dating Services in Deutschland nutzen. Nur in England, China, und den USA waren es im Jahr 2020 anteilig mehr Prozent der Einwohner:innen, so zumindest eine Umfrage von Statista. Aber ab wann gab es überhaupt die ersten Portale, wer hat sie entwickelt, was war vor Tinder, Parship & Co.? Habt ihr auch euren/ eure Partner*in im Netz kennengelernt? Wenn ja, dann bedankt euch bei: Joan Ball - der Mutter des Online Datings. Sie startete den ersten Online Dating Service in England bereits im Jahr 1964.

Joan Ball, geboren 1934 in London als eines von sechs Kindern. Aufgewachsen in einer armen Familie war ihre Kindheit nicht sehr einfach. Nicht nur der Zweite Weltkrieg, der in ihrer Kindheit ausbrach und verlangte, dass sie mehrmals aus London evakuiert wurde und bei Pflegefamilien unterkam, auch ihre Lese- und Rechtschreibschwäche setzten ihr zu. Trotz Problemen beim Schreiben und Zählen von Geld, führte sie ihren Job bei einer Londoner Genossenschaft nach der Schule von 1949 bis zu ihrem 27. Lebensjahr gewissenhaft aus. Sie verließ das Unternehmen nach einigen Jahren auf eigenen Wunsch und wollte in Cambridge in einem neuen Geschäft arbeiten. Manchmal kommt es aber anders als geplant und die Eröffnung des Geschäfts verschob sich, so dass sie plötzlich über keine Einkünfte mehr verfügte. Sie brauchte allerdings Geld und fing daher bei einer Heiratsvermittlung an zu arbeiten. Und das war genau ihr Ding! Sie merkte, dass es ihr leicht fiel zwischen Menschen Verbindungen herzustellen. So gründete sie selbst 1962 mit Eros Friendship and Marriage Bureau Ltd. ihre eigene Firma, um ihrer Passion nachzugehen. Allerdings konnte sie nie groß Werbung betreiben, da Dienstleister dieser Art in Frage gestellt, bzw. ihnen sogar Prostitution unterstellt wurde. Unternehmen, die Männer und Frauen gegen eine Gebühr zusammenbrachten, klangen schrecklich verdächtig. Vieles war zu dieser Zeit nicht erlaubt, so durfte in den Jahren auch kein Rock ´n Roll im Radio gespielt werden. Allerdings gab es Piratensender, die sich dem widersetzten und genau bei einem dieser Piratensender ließ, Joan Ball Radiowerbung für das Büro schalten. Ihr Ziel war es, Menschen zu binden, die lange zusammenbleiben und heirateten und sie wollte Werbung dafür machen, wo sie eben nur konnte.

Viel ist über die Art und Weise wie sie die Partnerschaften vermittelte nicht bekannt, erst als sie 1964 den Namen ihres Heiratsbüros in St. James Computer Dating Service änderte, erfährt man, dass sie mit Hilfe eines Computers 'Matchings' durchführte und damit den ersten kommerziell erfolgreichen Online Dating Service gründete. Von dem Computer hatten die meisten Menschen im Laufe des Vermittlungsprozesses allerdings nichts gesehen, Joan war es, die die Hilfe des Computers brauchte, um Menschen auf logische Weise im großen Maßstab zusammenzubringen. Sie musste das Persönliche und das Unpersönliche, das Rationale und das Romantische in Einklang bringen, damit es funktionierte. Also bat sie die Leute aufzuschreiben, was sie nicht von einer/m Partner:in wollten. Der Rest blieb schließlich verhandelbar.



Sie füllte das Programm mit den Daten und der Computer würde nach einem Suchlauf die "Übereinstimmungen" im System aufdecken. Die Nutzer:innen des Dienstes bekamen darauf einen Brief von der Computer-Dating Agentur zugeschickt, in dem die Telefonnummern von den jeweiligen Kandidat:innen standen, die vom Computer als mögliches Match vorgesehen wurden.


Trotz der Vorstellung, dass Computer-Dating irgendwie „revolutionär“ oder nur für junge Menschen war, waren es erst eher Geschiedene, Witwer/Witwen und ältere unverheiratete Menschen, die zahlreich auf ihre Werbung reagierten und nach Partner:innen suchten.

Bis 1965 hatte sie den Namen erneut geändert, um ihr Modell vollständig widerzuspiegeln: Com-Pat, kurz für „computerized Compatible“, war geboren. Joan führte zunächst das von ihr so ​​genannte „Com-Pat I“-Programm aus, die erste Iteration der Software. Es war erfolgreich, aber wie jeder gute Systemanalytiker:in sah sie Raum für Verbesserungen. Joans Konkurrenz kam aus den USA. Drei Harvard Studenten gründeten ‚Operation Match‘, den damit ersten Online Dating Service der USA (ein Jahr nachdem Joan gegründet hatte). Auch Dateline war eins von Joan Balls Konkurrenten. Das Unternehmen wurde 1966 von John Richard Patterson in England gegründet, nach einer Reise in die USA an die Harvard Universität, wo er sah wie Operation Match funktionierte.

Joan sollte aber vorerst sehr erfolgreich bleiben. Obwohl Zeitungen behaupteten, dass eher traurige und gestörte Menschen diesen Service nutzten, war Joan in der Öffentlichkeit anerkannt. Sie glaubte auch an sich und ihre Dienste, und fand, dass dies eine intelligente Art war Menschen zu verbinden und bekannt zu machen. 1970 gründet sie den Nachfolger Com-Pat II, bis dato verwendete sie das fortschrittlichste Matching System. Das System verwendete einen Fragebogen und gab am Ende vier mögliche Matches hervor. „Com-Pat II“ nutzte die Verwendung von Computerlochkarten mit codierten Daten, einen größeren Benutzerpool und integrierte das, was Joan durch die Optimierung von Version 1.0 im Laufe mehrerer Jahre gelernt hatte.

Leider folgten turbulente Zeiten nach dem Erfolg. In der wichtigsten Werbeannonce wurde die Telefonnummer der Agentur falsch gedruckt, so dass viele potenzielle Kunden sie nicht erreichen konnten. Hinzu kam ein wochenlanger Poststreik 1971. Schlussendlich entschied sie sich, Com-Pat II an ihren Konkurrenten John Richard Patterson zu verkaufen, und fing an sich um sich selbst zu kümmern und veröffentlichte 2014 ihre Memoiren mit dem Titel: ‘just me’.

Joan Ball war eine erfolgreiche Unternehmerin, die, obwohl sie selten die Anerkennung dafür bekam, die erste Person war, die einen kommerziell erfolgreichen Computer-Dating-Service leitete. Wieder eine bemerkenswerte Frau. Eine Frau, die aus armen Verhältnissen stammte und so erfolgreich wurde. Eine Frau, die trotz ihrer Schwäche beim Lesen und Zählen, die angeblich nie ein Buch gelesen hat, ohne Vorkenntnisse in der IT, sich in die Technik hineinarbeitete, dies mit ihrer Fähigkeit verband, Menschen zusammenzuführen und so bewiesen hat, dass man alles schaffen kann. Für mich zeigt es vor allem, dass man kein IT-Crack sein muss, um sich in dieser Branche zu etablieren. Joan Ball wollte Menschen zusammenbringen und hat sich einfach den Computer bzw. die Software zu nutzen gemacht. Wenn ihr also das nächste Mal durch Tinder ‚wischt‘ oder euch nach 11 Sekunden auf einer anderen Plattform verliebt, vergesst nicht, euch bei Joan dafür zu bedanken. 😉


R.


P.S. In Deutschland hat übrigens die Hamburger Firma Altmann einsame Herzen zusammengebracht. Wer sich dafür interessiert schaut gern in diese Wochenschau von 1969. Bei Minute 5:35 geht es um die Liebe aus dem Computer.

Referenzen:



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